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Noch nie zuvor haben Wissenschaftler den menschlichen Darm so intensiv erforscht, wie in den letzten zehn Jahren, in denen sich die Forschung in diesem Bereich besonders stark entwickelt hat. Und das aus gutem Grund: Das Darm-Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt, beeinflusst nahezu alle Aspekte unserer Gesundheit. Dazu gehören die Verdauung, das Immunsystem, der Stoffwechsel und sogar unsere Stimmung. Neue Studien zeigen, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora mit zahlreichen Erkrankungen, wie etwa Übergewicht, Diabetes, Depression oder chronische Darmerkrankungen, verbunden sind.
Doch woraus genau besteht das Mikrobiom, wie kommt es zustande und welche Maßnahmen können Sie ergreifen, um Ihr Mikrobiom zu stärken?
Der Begriff „Mikrobiom“ beschreibt die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die im menschlichen Körper leben. Dazu gehören Bakterien, Viren, Pilze und andere winzige Lebewesen. Alleine im Darm befinden sich etwa 100 Billionen Bakterien. Das ist mehr, als der menschliche Körper Zellen besitzt. Rein rechnerisch sind wir also eher „halb Mensch, halb Mikrobe“. Häufig wird das Darm-Mikrobiom auch als Darmflora bezeichnet. Gemeint ist bei beiden Bezeichnungen aber dasselbe: die komplexe Lebensgemeinschaft im Darm.
Bereits mit der Geburt beginnt das Mikrobiom, sich zu entwickeln. Dabei spielt es eine große Rolle, ob das Kind auf natürliche Weise oder per Kaiserschnitt auf die Welt kommt. Bei einer natürlichen Geburt übernimmt das Baby erste Mikroben von der Mutter, während bei einem Kaiserschnitt überwiegend Hautbakterien dominieren.Auch die Ernährung hat Einfluss auf die frühe Zusammensetzung des Mikrobioms. Muttermilch enthält spezielle Zuckerstoffe, sogenannte Oligosaccharide, die als Nahrung für bestimmte Bakterienarten dienen und somit das Mikrobiom des Babys prägen.
Das Darm-Mikrobiom stabilisiert sich im Erwachsenenalter weitgehend, bleibt aber flexibel und reagiert auf Ernährung, Medikamente, Stress oder Umwelteinflüsse. Mit zunehmendem Alter nimmt die Vielfalt der Mikroorganismen oft wieder ab, was die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen kann.
➤ Kein Mensch hat das gleiche Mikrobiom. Es ist so individuell wie ein Fingerabdruck und hängt von Genetik, Geburt, Ernährung und Lebensstil ab.
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Das Darm-Mikrobiom ist kein passiver „Mitbewohner“, sondern ein hochaktives, dynamisches System, das eine Vielzahl unverzichtbarer Aufgaben für den menschlichen Körper übernimmt. Man könnte sagen, dass der Mensch und seine Mikroben in einer Symbiose leben, von der beide Seiten profitieren.
Viele Nahrungsbestandteile, die wir zu uns nehmen, können von unseren eigenen Verdauungsenzymen nicht vollständig aufgespalten werden. Dazu gehören vor allem Ballaststoffe, also unverdauliche Kohlenhydrate, die in Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten vorkommen. Darmbakterien sind hingegen in der Lage, diese Ballaststoffe zu fermentieren, also durch mikrobielle Prozesse umzuwandeln. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, allen voran Butyrat (Buttersäure), Acetat und Propionat.
Diese Fettsäuren sind für die menschliche Gesundheit unverzichtbar:
Ohne diese bakteriellen Stoffwechselprodukte könnten wir Ballaststoffe nicht nutzen. Dieser Prozess ist also ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sehr wir auf unsere Mikroben angewiesen sind.
Etwa 70 % aller Immunzellen befinden sich im Darm. Das ist kein Zufall, denn hier entscheidet der Körper ständig, ob etwas harmlos oder gefährlich ist. Dabei spielt das Mikrobiom eine entscheidende Rolle. Es trainiert das Immunsystem, indem es kontinuierlich Signale sendet. Nützliche Bakterien zeigen den Abwehrzellen, wie sie mit Eindringlingen umgehen sollen. Sie fördern ein Gleichgewicht zwischen Toleranz gegenüber Nahrung und eigenen Zellen einerseits und Abwehr gegen Krankheitserreger andererseits. Wenn dieses Training gestört ist, steigt das Risiko für Allergien, Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen.
➤ In der wissenschaftlichen Literatur ist das Mikrobiom bereits mit mehr als 100 Erkrankungen in Verbindung gebracht worden.
Das Mikrobiom wirkt wie ein lebender Schutzschild. Nützliche Bakterien besetzen Nischen im Darm, sodass gefährliche Keime wie Salmonellen oder Clostridien kaum Platz oder Nährstoffe finden. Zusätzlich produzieren viele gute Darmbakterien antimikrobielle Substanzen, die schädliche Mikroben direkt hemmen. Dieser Effekt wird Kolonisationsresistenz genannt.
Einige Bakterienarten stellen Vitamine her, die unser Körper nicht selbst produzieren kann. Dazu zählen:
Außerdem beeinflusst das Mikrobiom die Bildung hormonähnlicher Substanzen und Neurotransmittern wie Serotonin, dem sogenannten „Glückshormon“, von dem über 90 % im Darm gebildet werden.
Die Darm-Hirn-Achse beschreibt den ständigen Austausch zwischen Verdauungstrakt und Gehirn. Dieser erfolgt über mehrere Wege:
Studien zeigen, dass Veränderungen im Mikrobiom mit Depressionen, Angststörungen und sogar mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson in Verbindung stehen.
Unter Dysbiose versteht man ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Dabei ist nicht nur die Anzahl einzelner Bakterienarten entscheidend, sondern auch ihre Vielfalt und ihr Verhältnis zueinander. Ein gesundes Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Diversität aus: Je mehr unterschiedliche Bakterienarten vorhanden sind, desto stabiler ist das System.
Die Gründe für ein Ungleichgewicht der Darmflora können sehr vielfältig sein:
Eine Dysbiose wird mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht:
Eine besondere Folge der Dysbiose ist das sogenannte Leaky-Gut-Syndrom, bei dem die Barrierefunktion der Darmschleimhaut geschwächt wird, der Darm nicht mehr richtig schließt und dadurch Bakterien in den Körper gelangen können. Normalerweise bilden die Darmzellen enge Verbindungen, die das Eindringen von Schadstoffen und Krankheitserregern verhindern. Bei einer Dysbiose können diese Verbindungen jedoch gelockert sein, sodass Bakterienbestandteile oder unverdaute Moleküle in den Blutkreislauf gelangen. Dies kann zu systemischen Entzündungen führen, die mit zahlreichen chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.
Die gute Nachricht ist: Sie können Ihr Darm-Mikrobiom selbst positiv beeinflussen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Ernährung und Lebensstil dabei die wichtigsten Faktoren sind.
Eine pflanzenbasierte, ballaststoffreiche Ernährung gilt als besonders wertvoll für ein gesundes Mikrobiom. Ballaststoffe stecken unter anderem in Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen. Studien belegen, dass Menschen, die viele verschiedene Pflanzenarten zu sich nehmen, auch eine größere Vielfalt an Darmbakterien besitzen.
Besonders empfehlenswert sind:
Vermeiden sollten Sie hingegen stark verarbeitete Lebensmittel, künstliche Süßstoffe, zu viel rotes Fleisch und Zucker, da diese ein ungünstiges Mikrobiom fördern.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die in ausreichender Menge einen positiven Effekt haben können. Sie kommen in Nahrungsergänzungsmitteln oder in fermentierten Lebensmitteln vor. Präbiotika sind unverdauliche Ballaststoffe, die das Wachstum gesunder Bakterien anregen.
Die Forschung zeigt, dass bestimmte Probiotika die Beschwerden bei Reisdarmsyndrom lindern oder nach einer Antibiotikatherapie dabei helfen können, die Darmflora schneller wieder aufzubauen. Allerdings wirken Probiotika nicht bei jedem gleich. Die Effekte sind individuell.
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Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich nicht nur positiv auf Herz und Muskeln, sondern auch auf das Mikrobiom aus. Sportler weisen oft eine größere Bakterienvielfalt auf als Menschen, die sich wenig bewegen. Ebenso wichtig ist es, Stress zu reduzieren, da psychischer Druck die Zusammensetzung der Darmflora verändern und Entzündungsprozesse fördern kann.
Antibiotika retten Leben, zerstören aber gleichzeitig auch nützliche Darmbakterien. Wenn möglich, sollten sie daher nur gezielt und nach ärztlicher Rücksprache eingesetzt werden. Nach einer Antibiotikatherapie ist es ratsam, die Ernährung bewusst mikrobiomfreundlich zu gestalten und eventuell eine Darmsanierung vorzunehmen.
Das Darm-Mikrobiom ist ein faszinierendes Ökosystem, das Ihre Gesundheit maßgeblich beeinflusst. Von der Verdauung über das Immunsystem bis hin zu Stimmung und Gehirn, überall sind Ihre Darmbakterien beteiligt. Mit einer abwechslungsreichen, pflanzenreichen Ernährung, ausreichend Bewegung und einem bewussten Lebensstil können Sie selbst enorm viel dafür tun, Ihr Mikrobiom gesund zu halten.
Wissenschaft und Medizin stehen jedoch erst am Anfang, wenn es darum geht, die Geheimnisse dieser „inneren Welt“ vollständig zu verstehen. Doch bereits jetzt ist klar: Ein gesundes Mikrobiom ist kein vorübergehender Wellness-Trend, sondern ein zentraler Baustein für Ihre langfristige Gesundheit.
Darm-Mikrobiom natürlich fördern Ansehen
Ansehen
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