Das Mikrobiom im Darm – und warum es so wichtig ist

Veröffentlicht am: August 20, 2025

 

Noch nie zuvor haben Wissenschaftler den menschlichen Darm so intensiv erforscht, wie in den letzten zehn Jahren, in denen sich die Forschung in diesem Bereich besonders stark entwickelt hat. Und das aus gutem Grund: Das Darm-Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt, beeinflusst nahezu alle Aspekte unserer Gesundheit. Dazu gehören die Verdauung, das Immunsystem, der Stoffwechsel und sogar unsere Stimmung. Neue Studien zeigen, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora mit zahlreichen Erkrankungen, wie etwa Übergewicht, Diabetes, Depression oder chronische Darmerkrankungen, verbunden sind.

Doch woraus genau besteht das Mikrobiom, wie kommt es zustande und welche Maßnahmen können Sie ergreifen, um Ihr Mikrobiom zu stärken? 

 

Mikrobiom im Darm

Was ist das Mikrobiom im Darm? 

Der Begriff „Mikrobiom“ beschreibt die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die im menschlichen Körper leben. Dazu gehören Bakterien, Viren, Pilze und andere winzige Lebewesen. Alleine im Darm befinden sich etwa 100 Billionen Bakterien. Das ist mehr, als der menschliche Körper Zellen besitzt. Rein rechnerisch sind wir also eher „halb Mensch, halb Mikrobe“. Häufig wird das Darm-Mikrobiom auch als Darmflora bezeichnet. Gemeint ist bei beiden Bezeichnungen aber dasselbe: die komplexe Lebensgemeinschaft im Darm.


Entwicklung des Mikrobioms

Bereits mit der Geburt beginnt das Mikrobiom, sich zu entwickeln. Dabei spielt es eine große Rolle, ob das Kind auf natürliche Weise oder per Kaiserschnitt auf die Welt kommt. Bei einer natürlichen Geburt übernimmt das Baby erste Mikroben von der Mutter, während bei einem Kaiserschnitt überwiegend Hautbakterien dominieren.
Auch die Ernährung hat Einfluss auf die frühe Zusammensetzung des Mikrobioms. Muttermilch enthält spezielle Zuckerstoffe, sogenannte Oligosaccharide, die als Nahrung für bestimmte Bakterienarten dienen und somit das Mikrobiom des Babys prägen. 

Das Darm-Mikrobiom stabilisiert sich im Erwachsenenalter weitgehend, bleibt aber flexibel und reagiert auf Ernährung, Medikamente, Stress oder Umwelteinflüsse. Mit zunehmendem Alter nimmt die Vielfalt der Mikroorganismen oft wieder ab, was die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen kann. 

 


Kein Mensch hat das gleiche Mikrobiom. Es ist so individuell wie ein Fingerabdruck und hängt von Genetik, Geburt, Ernährung und Lebensstil ab.


 

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Die wichtigsten Aufgaben der Darmflora

Das Darm-Mikrobiom ist kein passiver „Mitbewohner“, sondern ein hochaktives, dynamisches System, das eine Vielzahl unverzichtbarer Aufgaben für den menschlichen Körper übernimmt. Man könnte sagen, dass der Mensch und seine Mikroben in einer Symbiose leben, von der beide Seiten profitieren. 

 

1. Verdauung & Energiegewinnung

Viele Nahrungsbestandteile, die wir zu uns nehmen, können von unseren eigenen Verdauungsenzymen nicht vollständig aufgespalten werden. Dazu gehören vor allem Ballaststoffe, also unverdauliche Kohlenhydrate, die in Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten vorkommen. Darmbakterien sind hingegen in der Lage, diese Ballaststoffe zu fermentieren, also durch mikrobielle Prozesse umzuwandeln. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, allen voran Butyrat (Buttersäure), Acetat und Propionat. 

Diese Fettsäuren sind für die menschliche Gesundheit unverzichtbar:

  • Butyrat ist die wichtigste Energiequelle für die Zellen der Darmschleimhaut. Es stärkt die Barrierefunktion und schützt vor einem durchlässigen Darm, auch „Leaky Gut“ genannt.
  • Acetat und Propionat wirken sich positiv auf den Blutzuckerspiegel aus und beeinflussen die Fettverbrennung in der Leber.
  • Alle drei Fettsäuren wirken entzündungshemmend und tragen dazu bei, das Immunsystem im Gleichgewicht zu halten.

Ohne diese bakteriellen Stoffwechselprodukte könnten wir Ballaststoffe nicht nutzen. Dieser Prozess ist also ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sehr wir auf unsere Mikroben angewiesen sind.

 

2. Immunsystem & Abwehr

Etwa 70 % aller Immunzellen befinden sich im Darm. Das ist kein Zufall, denn hier entscheidet der Körper ständig, ob etwas harmlos oder gefährlich ist. Dabei spielt das Mikrobiom eine entscheidende Rolle. Es trainiert das Immunsystem, indem es kontinuierlich Signale sendet. Nützliche Bakterien zeigen den Abwehrzellen, wie sie mit Eindringlingen umgehen sollen. Sie fördern ein Gleichgewicht zwischen Toleranz gegenüber Nahrung und eigenen Zellen einerseits und Abwehr gegen Krankheitserreger andererseits. Wenn dieses Training gestört ist, steigt das Risiko für Allergien, Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen.


In der wissenschaftlichen Literatur ist das Mikrobiom bereits mit mehr als 100 Erkrankungen in Verbindung gebracht worden.


 

3. Schutz vor Krankheitserregern

Das Mikrobiom wirkt wie ein lebender Schutzschild. Nützliche Bakterien besetzen Nischen im Darm, sodass gefährliche Keime wie Salmonellen oder Clostridien kaum Platz oder Nährstoffe finden. Zusätzlich produzieren viele gute Darmbakterien antimikrobielle Substanzen, die schädliche Mikroben direkt hemmen. Dieser Effekt wird Kolonisationsresistenz genannt.

4. Vitamin- & Hormonproduktion

Einige Bakterienarten stellen Vitamine her, die unser Körper nicht selbst produzieren kann. Dazu zählen:

  • Vitamin K2, das wichtig für die Blutgerinnung und den Knochenstoffwechsel ist
  • B-Vitamine wie Folsäure und Biotin, die für die Nervenfunktion und den Energiestoffwechsel entscheidend sind


Außerdem beeinflusst das Mikrobiom die Bildung hormonähnlicher Substanzen und Neurotransmittern wie Serotonin, dem sogenannten „Glückshormon“, von dem über 90 % im Darm gebildet werden.

5. Kommunikation mit dem Gehirn über die Darm-Hirn-Achse

Die Darm-Hirn-Achse beschreibt den ständigen Austausch zwischen Verdauungstrakt und Gehirn. Dieser erfolgt über mehrere Wege:

  • Nervenbahnen, insbesondere den Vagusnerv
  • Botenstoffe wie GABA, Serotonin oder Dopamin
  • Immunsignale und Entzündungsmediatoren


Studien zeigen, dass Veränderungen im Mikrobiom mit Depressionen, Angststörungen und sogar mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson in Verbindung stehen. 

 

Aufgaben des Mikrobioms

Dysbiose: Wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät

Unter Dysbiose versteht man ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Dabei ist nicht nur die Anzahl einzelner Bakterienarten entscheidend, sondern auch ihre Vielfalt und ihr Verhältnis zueinander. Ein gesundes Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Diversität aus: Je mehr unterschiedliche Bakterienarten vorhanden sind, desto stabiler ist das System. 

 

Ursachen einer Dysbiose

Die Gründe für ein Ungleichgewicht der Darmflora können sehr vielfältig sein:

  • Antibiotika: Diese Medikamente töten nicht nur schädliche Keime, sondern auch nützliche Darmbakterien. Besonders nach wiederholten oder breit angelegten Antibiotikatherapien kann sich das Mikrobiom langfristig verändern.
  • Ungesunde Ernährung: Eine einseitige, stark verarbeitete Kost mit viel Zucker, gesättigten Fetten und wenigen Ballaststoffen fördert das Wachstum schädlicher Bakterienarten und verringert die Vielfalt der nützlichen Darmbakterien.
  • Lebensstil: Bewegungsmangel, Rauchen und hoher Alkoholkonsum wirken sich ebenfalls negativ auf die Darmflora aus. 
  • Alter: Mit zunehmendem Alter nimmt die Diversität der Mikroorganismen im Darm natürlicherweise ab, wodurch das Risiko für Krankheiten steigt. 

 

Gesundheitliche Folgen

Eine Dysbiose wird mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht:

  • Magen-Darm-Erkrankungen: Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind typische Veränderungen im Mikrobiom festzustellen, beispielsweise eine Abnahme nützlicher Arten wie Faecalibacterium prausnitzii. Beim Reizdarmsyndrom finden sich häufig Verschiebungen im Verhältnis von gasbildenden und entzündungshemmenden Bakterien.
  • Stoffwechselerkrankungen: Studien belegen, dass Übergewicht und Typ-2-Diabetes mit einer verminderten bakteriellen Vielfalt verbunden sind. Bestimmte Darmkeime beeinflussen die Energieaufnahme und die Empfindlichkeit gegenüber Insulin.
  • Allergien & Autoimmunerkrankungen: Ein unausgeglichenes Mikrobiom in der frühen Kindheit erhöht das Risiko für Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang vom „Hygiene-Hypothese-Effekt“: Zu sterile Umgebungen lassen das Immunsystem ungenügend trainieren. 
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bestimmte Bakterien produzieren das Stoffwechselprodukt TMAO, welches die Gefäßverkalkung begünstigen kann.
  • Psychische & neurologische Erkrankungen: Despressionen, Angststörungen und neurodegenerative Erkrankungen zeigen auffällige Veränderungen in der Darmflora. Es ist zwar noch unklar, ob die Dysbiose Ursache oder Folge ist, der Zusammenhang ist aber wissenschaftlich sehr gut belegt.

Das Leaky-Gut-Syndrom

Eine besondere Folge der Dysbiose ist das sogenannte Leaky-Gut-Syndrom, bei dem die Barrierefunktion der Darmschleimhaut geschwächt wird, der Darm nicht mehr richtig schließt und dadurch Bakterien in den Körper gelangen können. Normalerweise bilden die Darmzellen enge Verbindungen, die das Eindringen von Schadstoffen und Krankheitserregern verhindern. Bei einer Dysbiose können diese Verbindungen jedoch gelockert sein, sodass Bakterienbestandteile oder unverdaute Moleküle in den Blutkreislauf gelangen. Dies kann zu systemischen Entzündungen führen, die mit zahlreichen chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.

 

Wie kann man das Mikrobiom stärken? 

Die gute Nachricht ist: Sie können Ihr Darm-Mikrobiom selbst positiv beeinflussen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Ernährung und Lebensstil dabei die wichtigsten Faktoren sind. 

 

1. Ernährung

Eine pflanzenbasierte, ballaststoffreiche Ernährung gilt als besonders wertvoll für ein gesundes Mikrobiom. Ballaststoffe stecken unter anderem in Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen. Studien belegen, dass Menschen, die viele verschiedene Pflanzenarten zu sich nehmen, auch eine größere Vielfalt an Darmbakterien besitzen. 

Besonders empfehlenswert sind:

  • Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi, Joghurt und Kefir, die probiotische Mikroorganismen enthalten.
  • Präbiotische Lebensmittel wie Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Bananen oder Chicorée, die Nahrung für gute Bakterien liefern.
  • Lebensmittel mit Polyphenolen wie Beeren, grüner Tee und dunkle Schokolade, die sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, welche bestimmte Bakterien fördern.

Vermeiden sollten Sie hingegen stark verarbeitete Lebensmittel, künstliche Süßstoffe, zu viel rotes Fleisch und Zucker, da diese ein ungünstiges Mikrobiom fördern.

2. Probiotika und Präbiotika

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die in ausreichender Menge einen positiven Effekt haben können. Sie kommen in Nahrungsergänzungsmitteln oder in fermentierten Lebensmitteln vor.
Präbiotika sind unverdauliche Ballaststoffe, die das Wachstum gesunder Bakterien anregen. 

Die Forschung zeigt, dass bestimmte Probiotika die Beschwerden bei Reisdarmsyndrom lindern oder nach einer Antibiotikatherapie dabei helfen können, die Darmflora schneller wieder aufzubauen. Allerdings wirken Probiotika nicht bei jedem gleich. Die Effekte sind individuell.

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3. Bewegung und Stressmanagement

Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich nicht nur positiv auf Herz und Muskeln, sondern auch auf das Mikrobiom aus. Sportler weisen oft eine größere Bakterienvielfalt auf als Menschen, die sich wenig bewegen.
Ebenso wichtig ist es, Stress zu reduzieren, da psychischer Druck die Zusammensetzung der Darmflora verändern und Entzündungsprozesse fördern kann.

4. Antibiotika nur mit Bedacht

Antibiotika retten Leben, zerstören aber gleichzeitig auch nützliche Darmbakterien. Wenn möglich, sollten sie daher nur gezielt und nach ärztlicher Rücksprache eingesetzt werden. Nach einer Antibiotikatherapie ist es ratsam, die Ernährung bewusst mikrobiomfreundlich zu gestalten und eventuell eine Darmsanierung vorzunehmen.

 

Gesundes Mikrobiom fördern

Fazit: Ihr Mikrobiom verdient Aufmerksamkeit

Das Darm-Mikrobiom ist ein faszinierendes Ökosystem, das Ihre Gesundheit maßgeblich beeinflusst. Von der Verdauung über das Immunsystem bis hin zu Stimmung und Gehirn, überall sind Ihre Darmbakterien beteiligt.
Mit einer abwechslungsreichen, pflanzenreichen Ernährung, ausreichend Bewegung und einem bewussten Lebensstil können Sie selbst enorm viel dafür tun, Ihr Mikrobiom gesund zu halten. 

Wissenschaft und Medizin stehen jedoch erst am Anfang, wenn es darum geht, die Geheimnisse dieser „inneren Welt“ vollständig zu verstehen. Doch bereits jetzt ist klar: Ein gesundes Mikrobiom ist kein vorübergehender Wellness-Trend, sondern ein zentraler Baustein für Ihre langfristige Gesundheit







Forschungsnachweise

Quellen (in englischer Sprache)



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