Fasten im Fokus: Was ist der Unterschied zwischen Intervall-, Wasser- und Scheinfasten?

Veröffentlicht am: Juni 11, 2024
Sarah Allen
Sarah Allen

Ernährungsberaterin und Diätologin

Die meisten von uns wollen ein gesundes, langes Leben führen. Aber wie lässt sich die Fähigkeit unseres Körpers Zellen zu schützen, zu regenerieren und zu verjüngen am besten aktivieren?

Zucker beschleunigt den Alterungsprozess in hohem Maße

Longo untersuchte die Auswirkungen von Hunger auf Hefezellen und entdeckte, dass Zucker den Alterungsprozess und einen vorzeitigen Tod fördert. Dies geschieht zumindest teilweise durch die Aktivierung zweier Gene, die als Ras und PKA bekannt sind. Longo erläutert:

„Zusammen mit Walford nutzten wir menschliche Proben und Mäuse. Uns war sehr schnell klar, dass uns fehlende Erkenntnisse über die Gene und die Molekularbiologie bei der Weiterentwicklung stark einschränken würden. Wir setzten alles auf eine Karte und verwendeten einen einfachen Organismus in der Hoffnung, dass unsere Erkenntnisse für den Alterungsprozess sich auf den Menschen übertragen lassen. Und ich denke, unsere Hoffnung ist aufgegangen. Durch unsere Forschung haben wir PKA bzw. Ras/PKA entdeckt. Das ist der Weg, den Zucker in unserem Körper nimmt. Wir entdeckten ferner die sogenannte TOR-S6-Kinase, den Weg von Proteinen im Körper.“

Wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass sich diese ersten Ergebnisse mit Hefe auf andere Tiere übertragen lassen, darunter Würmer, Fliegen und Mäuse. Ferner stellten die Wissenschaftler Untersuchungen mit Menschen in Ecuador mit dem Laron-Syndrom an. Dabei handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung. Betroffenen fehlt der nötige Rezeptor für Wachstumshormone. Infolgedessen werden sie nicht größer als 1,20 m.

Interessanterweise scheint diese genetische Anomalie die Betroffenen vor chronischen Krankheiten wie Diabetes und Krebs zu schützen – selbst bei einer nicht ganz so gesunden Ernährung. Nach Aussage von Longo lassen sich die Ergebnisse auf die meisten Menschen übertragen. Mittlerweile wissen wir, dass Wachstumshormone und Wachstumshormonrezeptoren beim Menschen sowohl den TOR- als auch den MPK-Weg regulieren.

„Wir vermuten jetzt, dass es ein Netzwerk gibt, das mit dem Wachstumshormon beginnt und mit diesen Transkriptionsfaktoren endet, die wir beschrieben haben. Wir nennen Sie „Schutzkapitäne“. Sie werden durch aufgenommene Nahrung reguliert“, berichtet Longo.

Kein Zucker sowie regelmäßiges Fasten fördern ein langes Leben

Longo war einer der ersten Forscher, der Zucker als eine Substanz identifizierte, die den Alterungsprozess beschleunigt, und Fasten als eine Methode zur Verbesserung der Langlebigkeit. 1997 veröffentlichte er seine Forschungen, die zeigten, dass Hefezellen länger lebten, wenn sie Hunger ausgesetzt waren. Kurz darauf entdeckten er und sein Team die für dieses Phänomen verantwortlichen Zucker- und Proteinwege.

Grundsätzlich bewirkt eine Ausschaltung sowohl von Ras/PKA als auch LCH-9 (das S6-Kinase-Gen), dass Hefezellen bis zu fünfmal länger leben. Longo bemerkte: „Es war eindeutig, dass Fasten zumindest teilweise nach Ausschaltung dieser beiden Wege diese Auswirkungen hatte.“ Die Frage war jedoch: Lassen sich die Ergebnisse auf Menschen übertragen?

Longo suchte nach äquivalenten Wegen und Genen. Forschungsarbeiten von John Kopchick und André Barki zeigten, dass ein Wachstumshormonmangel sowie ein Wachstumshormonrezeptormangel bei Mäusen die Lebensdauer der Tiere um rekordverdächtige 40 bis 50 Prozent verlängerte. Sie waren auch viel gesünder als normale Mäuse. Die Hälfte von ihnen war zum Zeitpunkt ihres Todes völlig frei von Krankheiten.

Longo bemerkt:

„Das war sehr beeindruckend und bemerkenswert. Wir wussten nun, dass unsere Entdeckungen für Hefe und für Mäuse zutraf. Mithilfe der Laron-Studie konnten wir zeigen, dass sie sich auch auf Menschen übertragen lassen. Fassen wir noch einmal zusammen: Unsere Gesundheit und Lebensdauer wird gefördert durch

a)      einen niedrigen Wachstumshormonspiegel oder

b)      einen Mangel an Rezeptoren für Wachstumshormone

sodass es keine Rolle spielt, ob Sie Wachstumshormone oder die entsprechenden Rezeptoren ausschalten.“

Sie benötigen Wachstumshormone (wie Insulin), aber nicht in hohem Maße

Krafttraining gilt für gewöhnlich als eine Methode zur Stärkung der Gesundheit. Dadurch wird beispielsweise die Bildung von Wachstumshormonen angeregt. Wie lassen sich nun der gesundheitliche Nutzen sowie der Bedarf des Körpers an Wachstumshormonen mit den negativen Auswirkungen dieser auf unsere Lebensdauer in Einklang bringen?

Longo erläutert:

„Es lässt sich ganz gut mit Insulin vergleichen. Jeder von uns benötigt Insulin. Zu viel Insulin führt jedoch zu einer Insulinresistenz und Diabetes. In unserem Fall geht es nicht so sehr um das Wachstumshormon, sondern um IGF-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1). Die Aktivität der Wachstumshormone lässt sich recht gut durch den IGF-1-Spiegel bestimmen. Menschen, die am Laron-Syndrom leiden, weisen beispielsweise eine sehr geringe Wachstumshormonaktivität sowie einen geringen IGF-1-Wert auf.

Oft wird behauptet, dass eine proteinarme Ernährung die Bildung von Wachstumshormonen einschränkt bzw. die Aktivität der Wachstumshormonsrezeptoren verstärkt bei einem niedrigen IGF-1-Spiegel. Beides geht also Hand in Hand. Allerdings treten immer wieder Ereignisse ein, bei denen sich beides trennt. Wachstumshormone wirken direkt auf TOR [und] auf Insulin sowie wahrscheinlich auf fast jeden Weg, den Sie sich vorstellen können. Sie sind also gewiss nicht ein und dieselbe Sache. Es ist aber viel einfacher, den IGF-1-Wert zu bestimmen.“

Die Vorteile einer proteinarmen Ernährung

Longo setzt sich für eine erheblich eingeschränkte Proteinzufuhr ein. Die meisten Amerikaner nehmen viel zu viel Protein für eine optimale Gesundheit auf. Longo empfiehlt, nicht mehr als 0,31 bis 0,36 g Protein pro Pfund Körpergewicht zu konsumieren. Für die meisten Menschen bedeutet das, dass sie ihren Proteinverbrauch um etwa zwei Drittel reduzieren müssten. Bei einem Körpergewicht von ca. 70 kg benötigen Sie nur etwa 50 g Proteine am Tag.

Warum nur so wenig?

Das hängt mit der Art und Weise zusammen, wie das Protein mit dem mTOR-Weg interagiert. Diese Interaktion ist an der Entstehung altersbedingter Krankheiten beteiligt und beschleunigt den Alterungsprozess. Proteine steuern die IGF-1-Wege, die ihrerseits die TOR- und PKA-Signalisierung steuern.

Wird der TOR-Weg deaktiviert – entweder durch eine proteinarme Ernährung oder das Ergänzungspräparat Berberin – sind Sie vor den Folgen des Alterungsprozesses geschützt. Die Forscher entdeckten außerdem, dass eine Deaktivierung der TOR- und PKA-Wege die Regeneration fördert. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei einer zu hohen Proteinzufuhr bzw. zu viel Nahrung das regenerative Potenzial auf Eis gelegt wird.  

Sobald Sie diese schädigenden Einflüsse eliminieren, werden Ihre Stammzellen aktiviert. Nehmen Sie dann Nahrung zu sich, durchläuft Ihr Körper eine große Regenerations- und Verjüngungsphase. Dies ist zum Teil der Grund, warum Intervallfasten oder Scheinfasten so viel besser dafür geeignet ist als eine ständige Begrenzung der Kalorienzufuhr. Die „Magie“ geschieht tatsächlich, sobald Sie nach einer Zeit des Verzichts wieder Nahrung aufnehmen.

Sparen Sie also nur Kalorien ein und nutzen nicht die eben genannten Vorteile, verpassen Sie die Gelegenheit, Ihren Körper zu stärken bzw. zu optimieren. Hunger löst im Körper einen Reinigungsprozess (Autophagozytose) aus und aktiviert Stammzellen, die erneute Zufuhr von Nahrung sorgt für einen Wiederaufbau und stärkt Ihre Gesundheit – beides ist unerlässlich für Sie. Laut Longo eignet sich Scheinfasten auch als eine echte Lösung zur Behandlung von Krebs, denn „wir konnten deutlich zeigen, dass dadurch schädliche Zellen beseitigt werden kann, signifikant viele geschädigte Zellen.“

Wann und warum höhere Proteinzufuhr sinnvoll sein kann

Der Teufel steckt wie bei vielen Dingen im Detail. Ab und an benötigen Sie zusätzliches Protein zum Erhalt Ihrer Muskelmasse bzw. zur Optimierung Ihres Krafttrainings.

Wir empfehlen Ihnen an den Tagen, an denen Sie trainieren, Ihre Proteinzufuhr um 25 Prozent zu steigern. An allen anderen Tagen sollten bei der zuvor genannten Menge von ca. 0,3 g Protein je Pfund bleiben. Ein höherer Proteinkonsum scheint keine Vorteile beim Muskelaufbau zu bieten.

„Jeder von uns benötigt Proteine. Daran besteht kein Zweifel. Unsere Daten deuten jedoch darauf hin, dass mehr als 0,31 bis 0,37 g Proteine je Pfund keine Vorteile für den Muskelaufbau bieten. In unseren Studien machte es also keinen Unterschied, ob Athleten diese Menge, etwas mehr oder viel mehr erhielten. Tatsächlich bewirkten ungefähr 30 bis 35 g hochwertiges Protein je Trainingseinheit eine Optimierung der Muskelsynthese. Höhere Proteinmengen resultierten in keinem höheren Muskelaufbau. Teilweise könnten Stammzellen dafür verantwortlich sein.

Oder aber Cellulite-Zellen. Wir führen gerade eine weitere Studie durch. Ein hoher Proteinspiegel kann tatsächlich die Aktivierung von Cellulite-Zellen blockieren, was zu dem Problem beitragen kann... Halten Sie [Ihre Proteinzufuhr] auf Normalniveau und erhöhen Sie sie an den Tagen, an denen Sie trainieren um 20 bis 25 Prozent... Auf diese Weise können Sie Ihre Muskelmasse steigern.“

Ältere und gebrechliche Menschen benötigen möglicherweise ebenfalls eine höhere Proteinzufuhr, um Sarkopenie (altersbedingter Muskelschwund) zu verhindern, allerdings nicht sehr viel mehr. Longo empfiehlt, die Proteinzufuhr um 10 bis 20 Prozent im Alter von 65 Jahren zu erhöhen. Ab diesem Alter setzt bei den meisten Menschen der Abbau magerer Körpermasse ein. „Ich denke, solange Ihre magere Körpermasse nicht schwindet, müssen sie sich keine Sorgen machen. Sobald dieser altersbedingte Abbau einsetzt, ist sowohl Muskeltraining als auch die Erhöhung der Proteinzufuhr wichtig.“

Fasten – ein Eingriff in den Stoffwechsel, der Ihre Lebensdauer erhöht

Anfangs erscheint es vielleicht wenig plausibel, aber mehrtägiges Wasserfasten ist tatsächlich einer der wirkungsvollsten Eingriffe in den menschlichen Stoffwechsel. Keine andere Ernährungsform kann annähernd gleiche Ergebnisse bewirken. Grund dafür ist, dass Wasserfasten Ihre Zellen in einen schützenden „Anti-Aging-Modus“ versetzt.

Es fördert die Autophagozytose und ersetzt durch die Aktivierung von Stammzellen Zellkomponenten durch neu erzeugte funktionelle Komponenten.

„Ich habe in den letzten drei Monaten drei fünftägige Wasserfastenphasen durchlaufen. Nachdem einem Gespräch mit Longo sowie aufgrund der Tatsache, dass ich gesund bin und keine Insulinresistenz habe, plane ich, dies jedes Quartal zu tun. Wahrscheinlich könnten von dieser Methode viele Menschen mit einer Insulinresistenz profitieren. Sie müssten nur richtig darauf vorbereitet werden, dann steht einer monatlichen Durchführung nichts im Wege. Ein wichtiger Schritt, der mir das Wasserfasten erleichterte, war die Gewohnheit, mindestens einen Monat lang jeden Tag für 20 Stunden zu fasten (Intervallfasten).“

Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme sprechen Sie bitte vorab mit Ihrem Arzt. Einige Medikamente müssen während einer Mahlzeit eingenommen werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten bzw. um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden. Vielleicht sind auch Anpassungen an der Dosis nötig, sobald sich Ihre Körperchemie normalisiert.

Besonders gefährdet sind Menschen, die Medikamente zur Senkung des Blutzuckerspiegels oder Blutdrucks einnehmen, da die Gefahr einer Überdosierung besteht. Außerdem sollten Sie während des Fastens weiterhin Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Die Einnahme von Magnesium kann zu sehr weichem Stuhl führen. Außerdem sollten Sie hochwertiges Salz konsumieren. Bestimmte Gesundheitszustände können zudem eine strengere medizinische Überwachung erforderlich machen, um Ihre Sicherheit beim Fasten zu gewährleisten.

Longo setzt seinen Schwerpunkt nicht so sehr auf reines Wasserfasten bzw. tägliches Intervallfasten von 20 Stunden. Einige Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Intervallfasten von mehr als 13 Stunden das Risiko für Gallensteine um etwa 5 Prozent sowie andere unbeabsichtigte Nebenwirkungen erhöhen kann. Außerdem fand er heraus, dass Menschen, die über 100 Jahre alt wurden, dieses Alter nicht aufgrund täglichen Intervallfastens von mehr als 20 Stunden erreicht haben.

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Wasserfasten im Vergleich zum Scheinfasten

Longos Scheinfasten ist kein reines Wasserfasten. Beim Scheinfasten beschränken Sie Ihre Kalorienzufuhr auf 800 bis 1.100 Kalorien pro Tag für fünf Tage im Monat. Sie verzichten also nicht vollständig auf Nahrung. Diese Ernährungsweise hilft uns besser als reines Wasserfasten uns an die „Vorschriften“ zu halten. Eine kalorienarme Ernährung senkt außerdem das Risiko für Nebenwirkungen, ohne auf die vielen Vorteile verzichten zu müssen.

„Wir haben vor etwa 10 Jahren mit Krebspatienten begonnen... Das National Cancer Institute... finanzierte uns die Forschung zur Entwicklung einer Scheinfastendiät... Es gab nämlich beim vollständigen Verzicht auf Kalorien sowohl Probleme bei der Einhaltung als auch der Sicherheit. Reines Wasserfasten bzw. eine sehr kalorienarme Ernährung wurde fast ausschließlich in Kliniken durchgeführt. Natürlich könnten Sie sich auch zu Hause daran versuchen, doch es gibt einen Grund, warum diese Art Fasten nur unter ärztlicher Aufsicht in einer Klinik praktiziert wird.

Reines Wasserfasten greift elementar in Ihren Stoffwechsel ein. Dieser Eingriff kann für viele Menschen gefährlich werden. Hypertonie [und] Hypoglykämie [sind mögliche Nebenwirkungen]. Der Zweck der Scheinfastendiät ist es, das Fasten an sich den Menschen zu erleichtern, aber auch sicherzustellen, dass die Gesundheit keinen Schaden nimmt. Es können sich nämlich sehr wohl schwere Nebenwirkungen einstellen, das haben wir in unserer klinischen Studie gesehen.

Wir konnten beobachten, dass auch eine Scheinfastendiät Probleme bei einigen Menschen verursacht und sie schwächt. Diese Probleme sind aber nicht vergleichbar mit denen, die reines Wasserfasten durchführen... Deshalb denke ich, dass die Scheinfastendiät der richtige Weg ist.“

Folgende Personengruppen sollten nicht fasten (weder Wasserfasten noch Scheinfasten noch eine andere Art des Fastens betreiben):

  • Schwangere
  • stark Untergewichtige (niedriger Body-Mass-Index)
  • Menschen mit Anorexie
  • Senioren über 70 Jahre (es sei denn, Sie sind außergewöhnlich gesund)
  • gebrechliche Menschen bzw. Menschen mit Leber- oder Nierenerkrankungen.

Bei chronischen Erkrankungen besprechen Sie Ihr Vorhaben zunächst mit Ihrem Arzt und bitten Sie um eine engmaschige Überwachung.

Scheinfasten erhöht die Wirksamkeit einer Krebsbehandlung

Scheinfasten, eine äußerst kalorienarme Diät, wurde entwickelt, um sich die Vorteile des reinen Wasserfastens zu sichern, einschließlich der positiven Auswirkungen auf die Autophagozytose, die Aktivierung von Stammzellen, die Bildung von Ketonkörpern, den IGF-1-Spiegel, IGFBP1, Glukose usw. Longo ist zwar ein langjähriger Experte auf diesem Gebiet, allerdings bleiben Zweifel, dass eine sehr kalorienarme Ernährung genauso viele Vorteile für den Stoffwechsel bietet wie ein fünftägiges reines Wasserfasten, solange nichts dagegen spricht.

In seinem Buch empfiehlt Longo seine Scheinfastendiät vor allem Krebspatienten. Diese Ernährungsform soll nicht nur die Wirksamkeit der Krebstherapie radikal verbessern, sondern auch ihre Nebenwirkungen verringern.

„Das war ein schwieriger Kampf. Wir arbeiten mit den besten Krebskliniken der Welt zusammen: MD Anderson, Mayo Clinic, USC Norris Cancer Center. Wir haben uns die Rolle als Rebell nicht gewünscht. Aber wir haben für die Patienten gekämpft, sehr hart gekämpft. Unser Anliegen war es jedoch, dass auch die Ärzte mit uns übereinstimmen. Wir wünschten uns im Grunde genommen folgende Aussage von den Onkologen: „Ja, das ist ein guter Weg. Lasst es uns probieren.“ Letztlich waren wir uns einig.

Mittlerweile liegen eine Reihe neuer klinischer Studien vor, die fast abgeschlossen sind mit Hunderten Patienten, die scheinfasten. Ich bin überzeugt, dass sie im Ergebnis unsere Theorie bestätigten... [Bei] fortgeschrittenem Krebs, mit Metastasenbildung,[wenn] es nicht mehr viele Optionen gibt, empfahlen wir den Onkologen, dass sie die Scheinfastendiät in die Behandlung ihrer Patienten integrieren sollten. Und das ist das Schöne an diesem Ansatz. Er lässt sich einfach in den Klinikalltag einbinden.

Wir konnten die Wirksamkeit des Scheinfasten hinsichtlich der Kinasehemmer belegen, ebenso hinsichtlich Chemotherapien. Alle Arten von Chemotherapie, alle Arten von Krebs. Mittlerweile liegen uns eine Fülle an Daten vor mit vielen Ansätzen für neue Therapien. Im Moment erforschen wir die Möglichkeiten im Bereich der Immuntherapie an.... So wird Krebs dem Immunsystem sichtbar gemacht und kann entsprechend bekämpft werden. Als Krebspatient sollten Sie mit Ihrem Onkologen sprechen und ihn bitten, wenigstens die bereits veröffentlichten klinischen Studien zu lesen.

Es liegen nur minimale Sicherheitsbedenken gegen das Scheinfasten vor bei einer Vielzahl von möglichen Vorteilen für die Gesundheit... Bei Mäusen konnten wir zeigen, dass selbst erkrankte Mäuse mit Metastasen den Krebs besiegten. Die Mäuse wurden also im Wesentlichen mit einer Kombination aus Chemo bzw. Krebstherapie sowie Scheinfasten geheilt... Ich denke, es ist wichtig, dass Onkologen mit ihren Patienten darüber sprechen und ihnen so eine Chance zum Überleben geben, vor allem wenn keine weiteren Optionen auf dem Tisch liegen.“

Scheinfasten als Anti-Aging-Strategie

In seinem Buch zitiert Longo Tierversuche zum Scheinfasten in Kombination mit Laufbandübungen. Es zeigte sich ein besserer Erhalt der Muskelmasse sowie ein Rückgang der Sarkopenie. Interessanterweise funktionierte keine der beiden Ansätze für sich allein. In der entsprechenden Studie wurden die Mäuse zweimal im Monat vier Tage lang kalorienarm ernährt. Die übrige Zeit erhielten sie normale Kost.

Infolgedessen verloren sie viszerales Fett, aber keine Muskelmasse. Laut Longo unterscheidet sich Scheinfasten in diesem Punkt „von den meisten, wenn nicht sogar allen anderen Diäten, bei denen immer Fett, Wasser und Muskeln durch den Gewichtsabnahmeprozess verloren gehen.“ Longos Forschung zeigt ferner, dass Scheinfasten Entzündungen und entzündliche Erkrankungen wie Dermatitis reduziert.

Krebserkrankungen werden um fast 50 Prozent reduziert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Krebserkrankungen auch erst verzögert auftreten und viele Tumore eher gutartig als bösartig sind. Die Wahrnehmung wird ebenfalls verbessert. Mäusen, die zweimal im Monat einem Scheinfasten unterzogen wurden, zeigten bessere kognitive Leistungen als Mäuse, die normal ernährt wurden.

Das Immunsystem wird gestärkt, ja, geradezu verjüngt. Risikofaktoren für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nehmen ab und Marker für einen fortschreitenden Alterungsprozess verbessern sich.

„Wie erwartet beeinflusst diese Ernährungsweise multiple Körpersysteme und bewirkt eine Regeneration auf allen Ebenen. Das führt zu einer Verjüngung und Leistungssteigerung“, erläutert Longo.

Weitere Informationen

Eine der wichtigsten Botschaften in Longos Buch ist, welche Bedeutung verschiedene Ernährungsphasen haben – episodisches Fasten und Essen ist tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg. Sie vermeiden dadurch die negativen Auswirkungen eines kontinuierlichen Fastens oder bei chronischer Unterernährung.

Longo fügt hinzu:

„Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Sie nicht jeden Monat ein Scheinfasten durchführen müssen. Sie können, wenn Sie mögen. Und in der Tat empfehlen wir Menschen, die fettleibig sind, einen hohen Cholesterinspiegel aufweisen und unter Bluthochdruck leiden, solange jeden Monat ein Scheinfasten durchzuführen, bis sie gesund sind. Doch wenn Sie nicht zu dieser Risikogruppe gehören, ist eine Einheit alle drei Monate ausreichend: Alle 90 Tage machen Sie fünf Tage lang eine Scheinfastendiät, das ist sehr vernünftig.

Unsere Forschungen belegen eine langanhaltende Wirkung des Scheinfastens. Nach drei Scheinfastenzyklen konnten wir drei Monate nach dem Ende des dritten Zyklus noch etwa 60 Prozent der Veränderungen nachweisen. Mitunter dauert es also drei bis sechs Monate, bis die positive Wirkung des Scheinfastens erloschen ist.“

Zusammenfassung

  • Fasten ist eine wirkungsvolle Anti-Aging-Methode. Sie stärken damit die Fähigkeit des Körpers die Regeneration von Zellen zu fördern und sie zu schützen, was zu einer Verjüngung führt.
  • Der Forscher Valter Longo und sein Team entwickelten am Longevity Institute der USC das sogenannte Scheinfasten (Fasting Mimicking Diet). Damit sollen die gleichen gesundheitlichen Vorteile wie beim Wasserfasten erzielt werden, zugleich werden Einschränkungen reduziert, wodurch diese Diät leichter einzuhalten sein soll.
  • Hunger löst die Autophagozytose, also einen Reinigungsprozess der Zellen aus und aktiviert Stammzellen. Durch die erneute Nahrungszufuhr wird der Wiederaufbau der Zellen gefördert. Beide Phasen sind für eine optimale Gesundheit wichtig, daher sollten sich Fasten- und Essenszeiten stets abwechseln.
  • Mit Scheinfasten werden Entzündungen und Entzündungskrankheiten sowie Krebserkrankungen um fast 50 Prozent reduziert. Die kognitive Leistungsfähigkeit sowie die Immunfunktion werden ebenfalls gestärkt.
  • Insgesamt reduzieren sich durch das Scheinfasten die Risikofaktoren für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs; bestimmte Marker für einen fortschreitenden Alterungsprozess zeigen ebenfalls Verbesserungen.

In einem Interview beantwortete Dr. Valter Longo, ein Forscher und Direktor des Longevity Institute an der University of Southern California (USC), diese Frage nach über zwei Jahrzehnten Forschung.

Seine Ergebnisse schildert er in seinem kürzlich erschienenen Buch „The Longevity Diet: Discover the New Science Behind Stem Cell Activation and Regeneration to Slow Aging, Fight Disease, and Optimize Weight“. Darin enthalten sind auch alle relevanten Forschungsergebnisse, die die von ihm entwickelte Diät unterstützen.

Bereits früh in seiner Karriere erforschte Longo mit Dr. Roy Walford, seinerzeit Vorreiter in seinem Gebiet, im Rahmen seiner Doktorarbeit die Auswirkungen von Kalorienverzicht. Dabei wurde die Kalorienzufuhr täglich begrenzt – unabhängig von den verwendeten Lebensmitteln.

In der Regel nahmen sie nur 30 Prozent oder weniger ihrer normalen Kalorienmenge auf, bis sie einen Body Mass Index (BMI) von etwa 19 erreicht hatten. Es erübrigt sich beinahe, dass diese Form des Verzichts ziemlich extrem war. Und bei allem Nutzen verursachte diese Ernährungsweise auch einige Probleme. Die Forscher entdeckten schließlich, dass eine Form des Intervallfastens, das sogenannte Scheinfasten, langfristige Vorteile ohne die Nachteile einer ständigen Begrenzung der Kalorienmenge bietet.

Longo erklärt: „Unser Anliegen war es, die Vorteile beizubehalten und gleichzeitig die Probleme zu beseitigen. „Und natürlich habe ich den Vorteil, dass ich [über Hintergrundwissen in] Molekularbiologie und Biochemie verfüge. Zu Walfords Zeiten war einfach viel weniger bekannt.“