Magnesiumstearat, Hypothese, Nocebo und schädlicher "Halo-Effekt" - eine kritische Rezension

Veröffentlicht am: März 01, 2024
Dr. med. Wolfgang Bachmann
Dr. med. Wolfgang Bachmann

Allgemeinmediziner

Eine kleine Anzahl an Klinikmitarbeitern, Herstellern und Gesundheitslobbyisten vertritt die Ansicht, dass Magnesiumstearat, das von der Nahrungsergänzungsmittel- und Pharmaindustrie seit über 50 Jahren sicher verwendet wird, ein schädlicher und unnötiger Inhaltsstoff sei. Darüber hinaus machen Kritiker negative Folgen für das Immunsystem geltend und behaupten, Magnesiumstearat die Magen-Darm-Flora nachteilig verändern und so die Verdauungsfunktion und Nährstoffabsorption beeinträchtigen könnte.

Das brisante Thema Magnesiumstearat

Reißerische Artikel, die auf unfaire Weise Hilfsstoffe an den Pranger stellen oder anderweitig die Grenze zwischen Wahrheit und Unwahrheit verschwimmen lassen, sind nicht im öffentlichen Interesse.

Und selbstverständlich muss eine Hypothese, die aufgestellt wird, begründet werden. Schließlich ist eine Hypothese nichts anderes als eine Erklärung für ein Phänomen, das getestet werden kann. Idealerweise stützt oder widerlegt das Testergebnis die Hypothese. Für den Testzeitraum wird sie als wahr angenommen. Ziel der Wissenschaftler ist es nun, die Grenzen der Hypothese genau auszutesten.

Die Annahme, dass Magnesiumstearat ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen könne, muss auf substanziellen, reproduzierbaren und überprüfbaren Erklärungen beruhen. Zumindest sollte sie relational sein - also auf Beobachtungen und Erklärungen basieren, die wissenschaftlich plausibel sind. Eine Hypothese ist demnach eine plausible, mögliche Erklärung für einen Vorgang, ein Ereignis oder eine Einheit. Selbstverständlich sind nicht alle Hypothesen gültig oder korrekt.

Meinungsbildner  können jedoch aufgrund des sogenannten „Halo-Effekts“ eine uneingeschränkte Unterstützung für ihre Hypothese erhalten. Damit wird das Phänomen beschrieben, das darin besteht, dass wir davon ausgehen, dass Menschen, die Sache A gut machen, auch B, C und D gut machen werden (oder umgekehrt - weil sie Sache A schlecht erledigt haben, werden sie auch bei B, C und D schlechte Resultate liefern).

Negative Meldungen über angebliche Probleme im Zusammenhang mit Magnesiumstearat in Nahrungs- und Arzneimitteln werden im Internet so verbreitet, dass sie mittlerweile für einen „Nocebo“-Effekt verantwortlich sind. Zu einem Nocebo-Effekt kommt es, wenn nachteilige Nebenwirkungen aufgrund negativer Erwartungen auftreten, sozusagen ein negativer Placebo-Effekt. Placebo- und Nocebo-Effekte demonstrieren auf eindrucksvolle Weise wie sehr der therapeutische Kontext und verschiedene Gehirnbereiche miteinander in Verbindung stehen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Nocebo-Effekte existieren und den Verlauf von Standardbehandlungen negativ beeinflussen, selbst wenn keine Placebos verabreicht wurden. Nocebo- und Placebo-Effekte, die direkt die Funktionstüchtigkeit eines Menschen beeinflussen, sind das Ergebnis des psychosozialen Kontextes bzw. der therapeutischen Umgebung für den Geist, das Hirn und den Körper des Patienten. Beide Phänomene können durch verschiedene Faktoren ausgelöst und verstärkt werden: schriftliche Stellungnahmen, mündliche Empfehlungen, frühere Erfahrungen usw. Derartige Effekte spielen nicht nur eine Rolle bei der Behandlung, sondern verkomplizieren auch die Gültigkeit von Studien, wenn sie im Zusammenhang mit unbegründeten Hypothesen stehen.

Insofern muss ein Gleichgewicht zwischen der Informationsweitergabe relevanter Nährstoffwerte und der Sicherstellung bestehen, dass unbegründete negative Angaben minimiert und negative therapeutische Zusammenhänge verringert werden. Dieses Gleichgewicht muss die Selbstständigkeit des Patienten oder Konsumenten berücksichtigen, eine Entscheidung aufgrund der relevanten Informationen selbst zu treffen, während Informationen auf eine nicht-täuschende, aber dennoch beruhigende Art und Weise vermittelt werden. Ich hoffe, dass die folgenden Informationen in diesem Licht aufgenommen werden.

Zunächst ein kleiner Einblick in die Chemie

Seit mehr als 40 Jahren wird Magnesiumstearat, auch bekannt als Oktadekansäure und Magnesiumsalz, bei der Herstellung von Lebensmitteln, pharmazeutischen Tabletten und Kapseln verwendet. Die chemische Formel lautet: Mg (C18H35O2)2.

Es handelt sich dabei um ein Salz mit zwei Äquivalenten Stearat (die negativ geladenen Anionen der Stearinsäure) und einem positiv geladenen Magnesiumkation (Mg2+). Magnesiumstearat ist also eine neue Verbindung, die entsteht, wenn sich die positiven Ionen der Stearinsäure mit Magnesium verbinden.

In vielen Nahrungsergänzungsmitteln, vor allem in jenen namhafter Hersteller, ist es nur in sehr geringen Mengen enthalten. Meistens macht Magnesiumstearat weniger als ein Prozent des Endproduktes aus. Die Hersteller verwenden es zusammen mit anderen Trägerstoffen, um ein akkurates Mixen unterschiedlichster Inhaltsstoffe zu ermöglichen und ein Verkleben sowie andere Komplikationen zu vermeiden. Pharmazeutisches Magnesiumstearat sollte stets den Richtlinien der cGMP (Gute Herstellungspraxis) sowohl der Lebensmittelbranche als auch der Pharmaindustrie entsprechen.

Oktadekansäure

Stearinsäure (auch Oktadekansäure genannt) ist eine der häufigsten langkettigen Fettsäuren, die sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Fetten enthalten ist. Sie ist auch aufgrund ihrer Struktur als Fettsäure mit 18 Kohlenstoffatomen(C18:0) bekannt; die Formel lauten C36H70MgO4. Sie wird als Schmiermittel bei der Herstellung von Lebensmitteln und pharmazeutischer Produkte verwendet.

Obwohl Stearinsäure als gesättigte Fettsäure (SFA) sowohl biochemisch als auch für Zwecke der Nährwertkennzeichnung und Ernährungsempfehlungen klassifiziert wird, zeigen Daten der letzten 50 Jahre, dass Stearinsäure unter den SFAs in der Nahrungsmittelversorgung einzigartig ist. Stearinsäure findet sich in zahlreichen Lebensmitteln, die täglich konsumiert werden, zum Beispiel in Fleisch, Kokosnussöl und Schokolade. Hinweise deuten darauf hin, dass sie mithilfe von Enzymen während der Verdauung in Ölsäure umgewandelt wird (CH3(CH2)7CH=CH(CH2)7COOH) und so negative Risiken im Zusammenhang mit dem Cholesterinspiegel neutralisieren.

Stearinsäure wird im Darm gut absorbiert und in sogenannte Chylomikronen und übrige Partikel gespalten, bevor sie in der Leber verstoffwechselt wird. In der Leber wird überschüssige Stearinsäure mittels eines entsättigendes Enzyms in einfach ungesättigte 18-Kohlenstoff-Ölsäure umgewandelt. Als Ölsäure zirkuliert sie dann in Lipoproteinkomplexen; der Cholesterinspiegel bleibt unverändert. Wie bereits beschrieben, könnte diese Umwandlung in Ölsäure erklären, warum Stearinsäure den Cholesterinspiegel im Blutplasma nicht erhöht.

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Magnesium

Magnesium (Mg) ist ein für den Menschen äußerst wichtiges Mineral. Es wird mit Stearinsäure kombiniert, um sicheres Magnesiumstearat herzustellen. Die verwendeten Herstellungsverfahren können Stearinsäure ohne irgendwelche Hydrierungsverfahren, durch die Nebenprodukte von Transfetten entstehen können, bereitstellen.

Das britische Arzneibuch (Pharmacopoeia) von 2011 beschreibt Magnesiumstearat als eine Verbindung von Magnesium mit einer Mischung aus festen organischen Säuren (Stearinsäure und Palmitinsäure), die hauptsächlich aus variablen Anteilen von Magnesiumstearat und Magnesiumpalmitat besteht. Die Fettsäuren stammen aus essbaren Ausgangstoffen (in Nahrungsergänzungsmitteln meist pflanzlichen Ursprungs). Es sind mindestens vier Prozent und maximal fünf Prozent Magnesium enthalten (berechnet nach Trockengewicht).

Wie funktioniert Magnesiumstearat?

Magnesiumstearat liegt entweder als tafelartige Kristalle (oder Lamellen) vor, die wie ein Stapel Karten übereinander liegen. Beim Mischen verschiedener Inhaltsstoffe oder Arzneien scheren diese Tafeln kontinuierlich ab und ummanteln umliegende Teilchen. Je höher die Konzentration an Magnesiumstearat oder je länger das Mischen anhält, desto komplexer ist die Ummantelung der umliegenden Partikel. Zur Gewährleistung hervorragender Fließeigenschaften müssen und wollen die Hersteller gar nicht alle Partikel ummanteln, da sich dadurch die Geschwindigkeit verändert, in der die Tablette oder die Kapsel bioverfügbar ist. Magnesiumstearat ist zu ungefähr einem Prozent in einer Tablette oder Kapsel enthalten. In dieser Menge ist nicht nur sicher, sondern gewährt auch, dass die Nahrungsergänzung wirksam und bioverfügbar ist. Und wie bei allen guten Nahrungsergänzungen gilt auch hier, dass die Konzentration, der Grad und die Mischparameter genau überwacht werden müssen. Die entsprechenden Hersteller wenden dafür ihre eigenen Qualitätskriterien an und richten sich auch nach den Standards der guten Herstellungspraxis.

Probleme mit der Bioverfügbarkeit

Studien haben gezeigt, dass Magnesiumstearat die Freisetzungszeit aktiver Inhaltsstoffe in Tabletten usw. beeinflusst. Es senkt jedoch nicht die Bioverfügbarkeit dieser Inhaltsstoffe. Abermillionen Nahrungsergänzungsmittel und Arzneien, die Magnesiumstearat enthalten, werden jeden Tag eingenommen. Einige enthalten vermutlich mehr als ein Prozent Magnesiumstearat, um die Freisetzung der Inhaltsstoffe absichtlich zu verzögern.

Magnesiumstearat ist keine Tafelkreide

Zu den unbegründeten Behauptungen einiger Kritiker gehört, dass es sich bei Magnesiumstearat um gewöhnliche Tafelkreide handeln würde. Das ist chemisch betrachtet unmöglich. Tafelkreide wurde früher hauptsächlich aus Naturkalk (Calcit) hergestellt und als Calciumcarbonat (CaCO3) bezeichnet; heute wird oft Gips oder Calciumsulfat (CaSO4·2H2O) verwendet. Beide Formen unterscheiden sich stark von Magnesiumstearat.

Wie sieht es mit der Sicherheit von Magnesiumstearat aus? 

In den USA ist die Food and Drug Administration (FDA, Bundesbehörde zur Überwachung von Lebensmitteln und Arzneien) verantwortlich und erlässt Regeln für Inhaltsstoffe, die „allgemein als sicher anerkannt“ gelten (Zulassungsbezeichnung GRAS, die die Unbedenklichkeit von Lebensmittelzusätzen kennzeichnen). Die FDA hat Magnesiumstearat als allgemein als sicher anerkannt, solange der Konsum 2.500 mg/ kg täglich nicht übersteigt.

Im oben genannten FDA-Bericht heißt es weiter: „... führt zu der Auffassung, dass keiner der verfügbaren Beweise auf eine mögliche Gefahr hindeutet, wenn auf Magnesium beruhende Verbindungen mit GRAS-Kennzeichnung als Lebensmittelzutaten verwendet werden.“ In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt der Sonderausschuss zu folgendem Ergebnis:

„Die verfügbaren Informationen über Magnesiumcarbonat, Magnesiumchlorid, Magnesiumsulfat, Magnesiumhydroxid, Magnesiumoxid, Magnesiumstearat, zweibasisches Magnesiumphosphat und dreibasiges Magnesiumphosphat geben keinerlei Hinweise darauf, dass diese Verbindungen eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen oder nahelegen, solange sie in Mengen und in einer Art und Weise verwendet werden, die den aktuellen Richtlinien entsprechen. Derartige Gefährdungen werden auch zukünftig nicht erwartet.“

In Großbritannien beaufsichtigt die britische Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) Inhaltsstoffe für Lebensmittel und Arzneien. Sie wird dabei von der FSA (Agentur für Lebensmittelnormen) unterstützt. Das britische Pharmacopoeia ist die führende Sammlung von Standards für britische Medizinprodukte und pharmazeutische Substanzen. Alle bestätigen, dass Magnesiumstearat für den menschlichen Verzehr geeignet, sicher und zugelassen ist. Innerhalb der EU ist die Europäische Lebensmittelbehörde zuständig. Sie hat die Aufsicht über Lebensmittelzusatzstoffe und Zutaten und bestätigt ihrerseits, dass Magnesiumstearat in Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneien verwendet werden darf.

Magnesiumstearat

Beeinflusst Magnesiumstearat die Immunfunktion?

Unser Immunsystem ist für unser Überleben bzw. die Aufrechterhaltung gesunder Körperfunktionen unerlässlich. Dabei handelt es sich um den am weitesten entwickelten Bereich der menschlichen Biologie. Dessen Komplexität wurde von einigen Kritikern angeführt, um einen zweifelhaften Einfluss von Magnesiumstearat auf die Immunfunktion anzudeuten bzw. diesen daraus ableiten zu können. Dabei beziehen sie sich häufig auf einen Artikel, der 1990 in der Fachzeitschrift Immunology veröffentlicht wurde; aus dem sie unbedingt ein immunologisches Risiko aus einer Einnahme herleiten wollten.

Oftmals werden dann natürliche Killerzellen im Zusammenhang mit dieser Verunglimpfung genannt. Dabei wird die Schlussfolgerung gezogen, dass diese von Magnesiumstearat unterdrückt werden und damit eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten, die diesen Hilfsstoff enthalten, zu einer Immunsuppression führt. Natürliche Killerzellen (NK) spielen eine wichtige Rolle bei der unmittelbaren Immunabwehr. Sie gelten als prototypische angeborene Immunzellen, die sofort funktionieren, und sind adaptiven T-Zellen ähnlich. Letztere müssen jedoch erst durch Reize aktiviert werden. Damit sind NK und T-Zellen nicht dasselbe. Natürliche Killerzellen stellen die dritte Lymphozytenart dar. Bei den anderen beiden handelt es sich um T- und B-Zellen.

Die Verbindung zu diesem Artikel sowie die erhobenen Vorwürfe gegen Magnesiumstearat sind im besten Fall fadenscheinig, im schlimmsten Fall offenbaren sie mangelnde Kenntnis, wir wissenschaftliche Forschung zu verstehen und zu interpretieren ist. Der Artikel in der Fachzeitschrift Immunology bezieht sich auf die Verwendung isolierter Stearinsäure - das ist nicht dasselbe wie Magnesiumstearat - die im Reagenzglas T- und B-Zellen von Mäusen zugefügt wurde. Die Zellen wurden mittels eines exogenen Mittlers stimuliert und dann mit Stearinsäure begossen. Aufgrund eines inhärenten Enzymmangels in T-Zellen wurde die Stearinsäure in die Zellmembran aufgenommen; B-Zellen wiesen sie hingegen ab. Im Endergebnis - nach sechs bis acht Stunden Sättigung - kollabierten die Zellwände der T-Zellen.

Die Autoren schreiben: „Dies ist kein Beweis für eine effektive Beziehung zwischen Änderungen in den Membranlipiden und einer Beeinträchtigung des Membranpotentials.“

Sie legen nahe, dass in weiteren Testreihen untersucht werden solle, ob dieser Mechanismus zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen transplantierter Organe bzw. zur Unterdrückung der Autoimmunaktivität verwendet werden könne, da dies eine ähnliche Wirkung wie Ciclosporin hätte, jedoch ohne die üblichen Nebenwirkungen. Es wurden diesbezüglich jedoch keine weiteren Forschungsergebnisse veröffentlicht und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dies in naher Zukunft geschieht.

Die Schlüsselaspekte lauten wie folgt:

  • Der Versuch wurde „in vitro“ durchgeführt - ein bekanntermaßen unzuverlässiger Indikator für Rückschlüsse auf die menschliche Gesundheit.
  • Es wurde reine Stearinsäure und nicht Magnesiumstearat verwendet.
  • Die Zellen stammten von Mäusen.
  • Das Ergebnis wurde als positiv betrachtet (aus der Sichtweise der Wissenschaftler).
  • Es wurden adaptive T-Zellen verwendet und keine angeborenen NK-Zellen. Die Membranen beider Zellformen sind einander ähnlich, aber nicht gleich.

Magnesiumstearat ist nicht dasselbe wie Stearinsäure, sondern eine Verbindung, die daraus gewonnen wird. Stearinsäure ist eine gesättigte Fettsäure, die in allen Pflanzen, Samen, Nüssen und tierischen Fetten enthalten ist. Stearinsäure kann aus vielerlei Quellen gewonnen werden, einschließlich Rindfleisch. Für die meisten Nahrungsergänzungsmittel wird jedoch pflanzliche Stearinsäure aus Kokosnüssen oder Palmöl verwendet. In an Menschen durchgeführten Studien zeigten sich positive Auswirkungen von Stearinsäure.

Verursacht Magnesiumstearat Biofilme?

Manche Kommentatoren vertreten die Ansicht, dass Magnesiumstearat einen Biofilm im menschlichen Darm bildet. Die Bildung eines solchen Biofilms wird aus Ablagerungen pflanzlichen Stearins im Bad oder Waschbecken geschlussfolgert. Dieser sogenannte „Schaumring“ in der Badewanne, im Waschbecken oder in manchen Toiletten besteht aus Mineralien, die im Wasser, in Schmutz, in Körperfetten, Hautschuppen und Bakterien enthalten sind.

Die Verbindung zu Magnesiumstearat wird wieder einmal nur dadurch erreicht, dass das Feld der wissenschaftlichen Plausibilität verlassen wird; es gibt keinerlei Forschung, die die Bildung eines Biofilms aufgrund von Magnesiumstearat im menschlichen Verdauungstrakt vermuten lässt oder gar beweisen könnte. Tatsächlich existieren keinerlei menschliche Studien, die ein Risiko, welches mit der Einnahme von Magnesiumstearat einhergehen soll, implizieren oder bestätigen.

Als Biofilm bezeichnet man die engmaschigen Kolonien, die einige Bakterien auf Oberflächen bilden, um sich selbst vor antimikrobiellen Angriffen zu schützen. Biofilme tragen zur Fähigkeit von Bakterien bei, als Gruppe für soziale Interaktionen wie ein multizellulärer Organismus zu kommunizieren und sich zu verhalten. Das hilft ihnen bei der Kolonisierung von Wirtsorganismen, der Verteidigung gegen Konkurrenten und bringt ihnen bei der Anpassung an sich verändernde Umgebungen erhebliche Vorteile. In der allgemeinen Hysterie, dass alle Biofilme schlecht seien, wird oftmals übersehen, dass sie tatsächlich nützlich sein können und lebensnotwendig für die menschliche Mikrobenflora sind.

Der Dickdarm ist das Organ, das am meisten von Mikroorganismen besiedelt ist. Üblicherweise wird die Mikrobenflora im Dickdarm als homogene Einheit betrachtet. Dies ist jedoch eine starke Vereinfachung. Die Bakterien existieren in einer Vielzahl unterschiedlicher Mikrohabitaten und Stoffwechselnischen in der Schleimschicht, die den Darm auskleidet, in der Schleimhaut sowie auf den Oberflächen von Verdauungsresten an der Darmwand. Diese Mikrokosmen ändern sich ständig, je nachdem ob und welche Nährstoffe verdaut werden oder ob neue Nahrungsquellen verfügbar sind. Umweltfaktoren, Nährstoffzusammensetzung, die chemische Zusammensetzung des Nährbodens sowie Abwehrmechanismen in Zusammenhang mit dem adaptiven und angeborenen Immunsystem spielen bei der Entstehung und dem Abbau von Biofilmen eine Rolle. Die Oberfläche der Darmwand ist durch die Auswahl von Lebensmitteln modifizierbar. Ernährung, Präbiotika, Probiotika und Antibiotika sind wahrscheinlich die wichtigsten äußeren Modifikatoren bakterieller Gemeinschaften. Die Annahme, dass einzig die Einnahme von Magnesiumstearat einen schädlichen Biofilm bilden könnte, offenbart ein mangelndes Verständnis von der komplexen Dynamik von Bakterien und Hefen in der Darmwand.

Kontaminierung von Magnsiumstearat?

Das Rohmaterial für pflanzliches Stearat stammt meist von Palmbäumen. Immer wieder wird die Vermutung geäußert, dass eine Kontaminierung mit Pestiziden nicht nur möglich ist, sondern auch ein Gesundheitsrisiko darstellt, da einige Plantagen Pestizide einsetzen. Andere vermuten, dass aufgrund eines einzigen Falles kontaminierten Magnesiumstearats (der übrigens keine gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen hatte) alle Nahrungsergänzungsmittel unbrauchbar werden, die diesen Bestandteil zur Verbesserung der Qualität und Konsistenz verwenden. Das „Risiko“ sei einfach zu hoch.

Diese Annahme ist jedoch nicht begründet und zudem äußerst fraglich. Die meisten Pflanzen, die für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden, ziehen ihre Mineralien und Schadstoffe aus dem Boden oder der Luft. Wir alle verzehren nahezu täglich solche Pflanzen, selbst wenn wir nur Bioprodukte konsumieren. Das Gefährdungspotential muss immer im Zusammenhang gesehen werden. Toxische Chemikalien gelangen in den Körper nicht nur durch äußere Quellen (Luft, Wasser, Ernährung, Medikamente und Strahlung), sondern auch durch Prozesse, die im Inneren unseres Körpers ablaufen. Dazu zählen Entzündungen, Lipiperoxidation, oxidativer Stress, bestehende Erkrankungen, Infektionen und die Darmflora. Wir verfügen über ein hoch anpassungsfähiges homöostatisches Managementsystem, um damit fertig zu werden.

Magnesiumstearat in Nahrungsergänzungsmitteln besteht aus einer nicht hydrogenisierten Fettsäure auf Pflanzenbasis und Magnesium. Es wird jeden Tag von Abermillionen Menschen überall auf der Welt eingenommen - ohne bekannte oder wissenschaftlich bestätigte Nebenwirkungen. Nocebo-Effekte könnten jedoch durch unangemessene und unbegründete Betonung eines Risikos durch Meinungsbildner hervorgerufen worden sein.

Tatsächlich existieren viele bedenkliche Schadstoffe in unseren Lebensmitteln und der Umwelt, die nicht nur unabhängig auf unsere Gesundheit einwirken, sondern auch kollektiv agieren. Ein neues Modell, das Exposom genannt wird, bildet die Gesamtheit der Belastung beginnend mit der Schwangerschaft ab und gewinnt in Umwelt- und Gesundheitswissenschaften zunehmend an Bedeutung. Dieses Modell hilft uns, eine bessere klinische Versorgung zu entwickeln. Befürworter des Exposom-Konzepts unterscheiden diesen Ansatz als eine breit angelegte Bewertung aller Belastungen im Gegensatz zum traditionell provinziellen Ansatz von Umweltwissenschaftlern und Aktivisten, die jeweils nur ein Toxin oder eine Gruppe von Belastungen betrachten.

Abschlussbemerkung zu Magnesiumstearat

Magnesiumstearat verfügt über kein bekanntes Risiko für den Menschen, solange es entsprechend der Empfehlungen in geringen Mengen über Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneien eingenommen wird. Nicht eine einzige Webseite, die von den verschiedensten Kritikern betrieben wird, bietet auch nur einen haltbaren Beweis, dass diese Aussage nicht korrekt sei. Dasselbe gilt für medizinische Online-Bibliotheken wie PubMed oder Medline.

Die eigene Meinung kann einen immer noch dazu bringen, Nahrungsergänzungen oder Arzneien, die diesen Trägerstoff enthalten, zu meiden. Letztendlich handelt es sich dabei um eine emotionale Entscheidung und nicht um eine, die auf tatsächlichen Beweisen basiert.

 

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